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Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung

Das Sozialgericht Aachen hat mit Urteil vom 8.6.2021 zum Az. S 12 VS 5/19 die Bundesrepublik Deutschland vertreten durch das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr – Beschädigtenversorgung – auf die Klage des durch Herrn Rechtsanwalt Michael Janßen vertretenen Klägers wie folgt verurteilt:

Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom … in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom … verurteilt, festzustellen, dass das beim Kläger bestehende postthrombotische Syndrom des linken Armes nach zweimaliger Thrombose bei Paget-von-Schroetter-Syndrom Folge einer Wehrdienstbeschädigung im Sinne des § 81 SVG ist und dass wegen dieser Wehrdienstbeschädigung ein Anspruch auf Versorgung nach § 80 SVG besteht. Der GdS des Klägers beträgt 10, weswegen eine entsprechende Feststellung durch die Beklagte nicht zu erfolgen hat.

Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers dem Grunde nach.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist das Vorliegen einer Wehrdienstbeschädigung streitig.

Der am … geborene Kläger leistete in der Zeit vom … 1981 bis zum … als Wehrpflichtiger seinen Wehrdienst ab.

Am … 2016 stellte der Kläger erstmalig einen Antrag auf Anerkennung einer Wehrdienstbeschädigung. Zur Begründung führte er aus, er habe im letzten Monat seiner Wehrdienstzeit an einer sog. Durchschlageübung mit schwerem Sturmgepäck teilgenommen. Durch das Tragen des Sturmgepäcks sei eine zentrale Vene (Subklavia) in der linken Schulterhälfte abgedrückt worden und es habe sich als Folge während des Marsches eine Thrombose mit vollständigem Verschluss ereignet. In der Zwischenzeit wisse er, dass bei ihm ein Faktor-II Gendefekt mit einem Faktor-V Gendefekt bestehe, weswegen sein Thromboserisiko erhöht sei. Nach der ersten Behandlung 1982 habe sich der Durchfluss der Vene wieder eingestellt. Ein Jahr später sei es ohne Einwirkung zu einem schleichenden weiteren Verschluss der Vene gekommen. Die anschließende Behandlung habe keine vollständige Rekanalisation ergeben. Nun habe sich die Situation weiter verschlechtert. Es sei derzeit nicht abzusehen, welche Einschränkungen er im weiteren Leben hierdurch haben werde.

Die Beklagte trat daraufhin in Ermittlungen ein, ließ sich das Geschehen vom Kläger erneut beschreiben und zog beim Institut für Wehrmedizinalstatistik und Berichtswesen der Bundeswehr noch vorhandene medizinische Unterlagen bei. Hierbei fand sich unter anderem eine Eintragung in der sog. G-Karte des Klägers vom …1982, in der von einem Zustand nach einer Achselvenenthrombose links berichtet und ein Termin für eine gefäßchirurgische Kontrolluntersuchung im Bundeswehr-Zentralkrankenhaus in Koblenz notiert wurde. Des Weiteren fand sich eine Bescheinigung der Uniklinik Düsseldorf vom … 1984 zur vorlage bei der Bundeswehr über ein Rezidiv eines Paget-von-Schroetter-Syndroms sowie ein Arztbericht über einen stationären Krankenhausaufenthalt in der Zeit vom … 1982 bis zum … 1982.

Im Rahmen einer internen Prüfung kam die Beklagte unter dem … 2017 zu der Einschätzung, der vom Kläger geltend gemachte Sachverhalt sei, auch wenn er von der Beklagten anhand der Aktenlage im Einzelnen nicht nachvollzogen werden könne, glaubhaft. Dies legte auch Dr. … in seiner für die Beklagten erstellten versorgungsärztlichen Stellungnahme zugrunde. Dr. … kam indes zu der Einschätzung als Ursache für die Thrombose sei die beim Kläger bestehende hereditäre Thrombophilie mit heterozygoter Faktor-V und Faktor-II Genmutation zu sehen. Die Umstände bei der Durchschlageübung stellten eine Gelegenheitsursache dar.

Mit Bescheid vom …2017 stellte die Beklagte fest, dass die beim Kläger festgestellten Gesundheitsstörungen:

„Hereditäre Thrombophilie mit heterozygoter Faktor-V und Faktor-II Genmutation; post-thrombotisches syndrom am linken Arm nach zweimaliger Thrombose bei Paget-von-Schroetter-Syndrom und oben genannter Disposition“

Nicht Folge einer Wehrdienstbeschädigung im Sinne des 3 81 SVG sind.

Hiergegen legte der Kläger am … 2017 widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 6.2.2019 als unbegründet zurückgewiesen wurde.

Am 11.3.2019 hat der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten Michael Janßen, Klage erhoben.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Befundberichts des Gefäßchirurgen und Phlebologen Dr. … sowie eines gefäßchirurgischen Gutachtens des Dr. …. Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf entsprechende versorgungsärztliche Stellungnahmen der Medizinaldirektorin und Fachärztin für Allgemeinmedizin … auch in Kenntnis dieser Ermittlungen weiterhin die Auffassung vertreten, ihre Entscheidung sei zutreffend. Dem Gutachter Dr. … ist Gelegenheit zur ergänzenden Stellungnahme gegeben worden.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom … 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6.2.2019 zu verurteilen, bei dem Kläger das vorliegende postthrombotische Syndrom am linken Arm nach zweimaliger Thromobose bei Paget-von-Schroetter-Syndrom als Wehrdienstbeschädigung festzustellen sowie den hieraus resultierenden Grad der Schädigungsfolgen festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide in seinen Rechten gemäß § 52 II Sozialgerichtsgesetz (SGG) verletzt, weil diese rechtswidrig sind. Der kläger hat einen Anspruch auf Feststellung des Vorliegens einer Wehrdienstbeschädigung im Sinne eines postthrombotischen Syndroms des linken Armes nach zweimaliger Thrombose bei Paget-von-Schroetter-Syndrom.

Nach § 81 I SVG ist eine Wehrdienstbeschädigung eine gesundheitliche Schädigung, die durch eine Wehrdienstverrichtung, durch einen während der Ausübung des Wehrdienstes erlittenen Unfall oder durch die dem Wehrdienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt worden ist.

Versorgungsrechtlich relevante gesundheitliche Folgen einer solchen Wehrdienstbeschädigung sind bleibende Gesundheitsstörungen, die mit Wahrscheinlichkeit ursächlich auf eine Primärschädigung zurückzuführen sind (§ 81 VI SVG). Durch diese gesetzlichen Bestimmungen ist nach einhelliger Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum für die Anerkennung von Schädigungsfolgen eine dreigliedrige Kausalkette vorgegeben: Ein mit dem Wehrdienst zusammenhängender schädigender Vorgang muss zu einer primären Schädigung geführt haben, die wiederum die geltend gemachten Schädigungsfolgen bedingt haben muss. Dabei müssen sich die drei Glieder selbst mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, d.h. im sog. „Vollbeweis“, feststellen lassen, während für den ursächlichen Zusammenhang eine hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreicht (siehe zum Ganzen Bundessozialgericht – BSG – Urteil vom 16.12.2014 – B 9 V 3/13 R = juris Rn. 14; BSG, Urteil vom 25.3.2004 – B 9 VS 1/02 R = juris Rn. 16; BSG, Urteil vom 15.12.1999 – B 9 VS 2/98 R = juris Rn. 14 ff m.w.N.).

Diese Grundsätze haben auch in der der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (Versorgungsmedizinische Grundsätze) in der derzeit geltenden Fassung des Art. 26 des gesetzes zur regelung des Sozialen Entschädigungsrechts vom 12.12.2019 (BGBl. I, S. 2652 (vgl. Teil C, Nrn. 1 bis 3 Versorgungsmedizinischen Grundsätze) ihren Niederschlag gefunden. Von einer hinreichenden Wahrscheinlichkeit in diesem Sinne ist auszugehen, wenn nach geltender medizinisch-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.2016 – B 9 V 3/15 R = juris Rn. 27, st. Rspr.; Rohr/Sträßer/Dahm, Bundesversorgungsgesetz, Kommentar, Stand: Juni 2019, § 1-61; Lilienfeld, in Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 81 SVG Rn. 129; vgl. Teil C Ziffer 3.4 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze; vgl. hierzu – freilich noch zu den alten Versorgungsmedizinischen Grundsätzen – auch Vießmann, SGb2013, 68 ff.).

Aufgrund der durchgeführten medizinischen Ermittlungen des Beklagten und des Gerichts, nicht zuletzt auch aufgrund des Gutachtens des Dr. … nebst der ergänzenden Stellungnahmen, steht für die Kammer fest, dass es im Zusammenhang mit einer Durchschlageübung 1982 an der der Kläger als Wehrdienstleistender teilgenommen hat, zu einer Schultervenenthromobose gekommen ist.

Derzeit sind beim Kläger u.a. folgende gesundheitliche Beeinträchtigungen festzustellen:

  1. Postthrombotisches Syndrom am linken Arm nach zweimaliger Thrombose bei Paget-von-Schroetter-Syndrom.
  2. Hereditäre Thrombophilie mit heterozygoter Faktor-V und Faktor-II Genmutation, erhöhtem Faktor VII

Auch das aktuelle Vorliegen dieser Gesundheitsbeeinträchtigungen steht nach Auffassung der Kammer aufgrund der im Verwaltungs- und Klageverfahren eingeholten und vorgelegten Befund- und Arztberichte sowie des Gutachtens des Dr. … fest. Das Gutachten beruht auf umfangreichen Untersuchungen eines erfahrenen gerichtlichen Sachverständigen, die unter Einsatz von diversen Hilfsmitteln durchgeführt worden sind. Die Kammer hat keinen Anlass an der Richtigkeit der in dem Gutachten erhobenen medizinischen Befunde und gestellten Diagnosen zu zweifeln. Auch zwischen den Beteiligten besteht hinsichtlich des Vorliegens dieser Beeinträchtigungen keine Uneinigkeit. Bis zuletzt umstritten geblieben ist indes die Frage, ob hinsichtlich der unter Ziffer 1 genannten Gesundheitsbeeinträchtigung eine hinreichende Kausalität im Hinblick auf die durchgeführte Durchschlageübung besteht, ob sie mithin eine kausale Wehrdienstbeschädigung darstellt.

Die Beantwortung dieser Frage ist, wie auch die im Gerichtsverfahren eingeholten unterschiedlichen (versorgungs-) medizinischen Stellungnahmen zeigen, in Ansehung des insoweit geltenden Kausalitätsbegriffs des Bundessozialgerichts, dem sich die Kammer nach eigener Prüfung vollumfänglich anschließt, durchaus komplex weil die unter Ziffer 2 genannte Gesundheitsstörung wohl unstreitig geeignet ist, die Thromboseneigung zu erhöhen.

Dies muss im Rahmen der auch im Versorgungsrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung berücksichtigt werden (vgl. etwa BSG Urteil vom 16.12.2014 – B 9 V 3/13 R = juris; Landessozialgericht – LSG  Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.1.2021  - L 10 VE 11/16 0 juris Rn. 31 ff.; Sozialgericht  - SG  - Aachen Urteil vom 27.4.2021 – S 12 VG 3/19 = juris Rohr/Sträßer/Dahm, Bundesversorgungsgesetz, 7. Aufl., Stand: Juni 2019, § 1-58, m.w.N.). Nach dieser geht es – wie auch im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung – auf einer ersten Stufe der Kausalitätsprüfung um die Frage, ob ein Zusammenhang im naturwissenschaftlichen Sinne vorliegt, ob eine objektive Verursachung zu bejahen ist (BSG, Urteil vom 24.7.2012 – B 2 U 9/11 R = juris). In einer zweiten Prüfungsstufe ist sodann durch Wertung die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die wesentlich sind, weil sie rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden können bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen (BSG, Urteil vom 9.5.2006 – B 2 U 1/05 R = juris; BSG, Urteil vom 24.7.2012 – B 2 U 9/11 R = juris). Es handelt sich mithin dezidiert um eine letztlich juristisch durch die Gerichte zu entscheidende Wertungsfrage unter Berücksichtigung des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstands. Der Beweismaßstab der (hinreichenden) Wahrscheinlichkeit ist danach dann gegeben, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Nicht genügend ist die bloße Glaubhaftmachung und erst Recht nicht die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 9.5.2006 – B 2 U 1/05 R = juris; BSG, Urteil vom 31.1.2012 – B 2 U 2/11 R = juris; BSG, Urteil vom 17.12.2015 – B 2 U 8/14 R = juris).

Einen naturwissenschaftlichen Zusammenhang zwischen dem „Tragen des Sturmgepäcks während der Durchschlageübung“ und dem Entstehen eines Thrombus sieht die Kammer auf Grundlage der durchgeführten Ermittlungen als gegeben an. Die Kammer nimmt insoweit Bezug auf die vom Gutachter Dr. …… beschriebenen Erkenntnisse, die auch durch eine kursorische Durchsicht einschlägiger medizinischer Fachliteratur bestätigt wurden, dass nämlich eine Thrombose der Schultergürtelvene – auch unter besonderer Berücksichtigung der konkreten Lokalisation im Sinne einer Paget-von-Schroetter-Syndroms – insbesondere auch nach dem langen Tragen eines Rucksacks auftritt ( aber auch einer Schultertasche, längerer Arbeiten über Kopf, Gewichtheben, vgl. dazu nur Karges/Al Dahouk, Innere Madizin in 5 Tagen, 3. Aufl. 2014, S. 99; Herold, et. al. Innere Medizin, 2019, S. 832). Auch die Beklage weist in ihrer versorgungsmedizinischen Stellungnahme vom 04.02.2020 darauf hin, dass sich nach der sog. „Virchow-Trias“ (vgl. dazu etwa Haas, Prävention von Thrombosen und Embolien in der Inneren Medizin, 2005, S. 40 ff.) das Thrombosereisiko erhöht, wenn bei einem oder mehreren Faktoren sich Veränderungen ergeben: (1.) Gefäßwand, (2.) Strömungsgeschwindigkeit (z.B. Verengung der Gefäße) und/oder (3.) Blutzusammensetzung (z.B. vermehrte Gerinnungsneigung). Dass das Rucksacktragen grundsätzlich geeignet ist, die entsprechende Störung hervorzurufen, wird mithin auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt. Ebenfalls unbestritten ist, dass die Häufigkeit venöser Thrombosen der Vena subclavia recht selten ist (0,4 und 1% pro 10.000 Einwohner). Auffällig ist freilich, hierauf weist der gerichtliche Gutachter unter Bezugnahme auf eine entsprechende wissenschaftliche Veröffentlichung aus dem Jahr 2016 hin, dass bei den ausgewerteten Fällen einer entsprechenden Thrombose relativ häufig eine unmittelbar vorangegangene anstrengende Belastung der betroffenen Extremität von den Betroffenen berichtet wurde. Die Annahme eines TIS (Thoracic-Inlet-Syndroms) oder eines TOS (Thoracic-Outlet-Syndroms), welche auch eine alternative Ursache für die Thrombosebildung hätte sein können, ist beim Kläger zu keiner Zeit, weder unmittelbar nach dem Vorfall noch aktuell zu objektivieren gewesen. Nach Auffassung des gerichtlich bestellten Gutachters blieb damit jedenfalls als ein zweifellos wesentlicher Aspekt, der typischerweise eine solche Erkrankung hervorruft, die Belastung durch den Rucksack im Rahmen der auch im Übrigen körperlichen anstrengenden Situation im Rahmen der Durchschlageübung.

Die hier maßgebliche Frage ist freilich – und darauf weist die Beklagte grundsätzlich zutreffend hin – wie das Bestehen der hereditären Thrombophilie mit heterozygoter Faktor-V und Faktor-II Genmutation sowie erhöhtem Faktor VII im Rahmen der Kausalitätsbeurteilung zu bewerten ist, ob diesem Aspekt nicht die überragende oder mindestens gleichwertige Ursache für den Eintritt der Gesundheitsschädigung zukommt, ob das Tragen des Rucksacks mithin eine naturwissenschaftlich zwar ursächliche Bedingung war, die indes rechtlich als nicht wesentliche Gelegenheitsursache zu verstehen ist. Konkret ist daher die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung (hier: körperliche Anstrengungen im Zusammenhang einer sog. „Durchschlageübung mit Sturmgepäck“) mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage (hier: hereditären Thrombophilie mit heterozygoter Faktor-V und Faktor-II Genmutation sowie erhöhtem Faktor VII) zu vergleichen und abzuwägen, wobei darauf abzustellen ist, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die „Auslösung“ akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (BGS, Urteil vom 30.01.2007 – B 2 U 8/06 R = juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.07.2018 – L 6 U 1695/18 = juris Rn. 18; LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 23.01.2020 – L 6 U 121/15 = juris; Becker, SGb 2012, 696 f.). Diese Frage ist nach Auffassung der Kammer unter Berücksichtigung der durchgeführten Ermittlungen und der konkreten Umstände des Einzelfalls zu verneinen.

Zum einen ist hier zu berücksichtigen, dass – wenngleich unstreitig von einer Erhöhung des Thromboserisikos durch die Grunderkrankung des Klägers ausgegangen wird – deren Auswirkungen wissenschaftliche nicht hinreichend eindeutig beschrieben bzw. statistisch belastbar quantifiziert sind. Soweit überhaupt hier entsprechende Untersuchungen vorliegen – es handelt sich wie bereits dargelegt um eine selten auftretende Erkrankung – haben diese, dieser Eischätzung durch den gerichtlichen Gutachter schließt sich die Kammer an, schon aus allgemeinen statistischen Erwägungen heraus, im Hinblick auf die sehr geringe Zahl untersuchter Fälle, nur eine sehr begrenzte Aussagekraft. Insofern hält die Kammer auch die Annahme des gerichtlichen Gutachters, dass zur Frage der konkreten Rolle einer bestehenden Thrombophilie beim Risiko für das Entstehen einer entsprechenden Armvenenthrombose, keine belastbare Literatur vorliegt, dem Grunde nach auch zu treffend.

Was die entsprechenden Studien aber auch zeigen ist, dass solche Thrombosen bei Schaffung einer entsprechenden äußeren Belastungslage jedenfalls auch bei Personen auftreten können, die eine entsprechende Vorbelastung wie der Kläger eben gerade nicht aufweisen.

Es bleibt mithin dabei, dass der konkrete Verursachungsbeitrag der Genveränderungen und der Thrombophilie unklar ist, wenngleich – auch hier sind sich der medizinische Gutachter und die beratende Versorgungsärztin der Beklagten einig – eine Mitverursachung angenommen werden kann.

Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände waren aber wesentlicher Umstand für das Eintreten der Thrombose die Umstände des vom Kläger absolvierten Marsch. Die Annahme einer bloßen Gelegenheitsursache scheidet aus. Dafür waren die konkreten äußeren Stressoren zu erheblich und standen nach Auffassung des gerichtlichen Gutachters auch evident im Vordergrund bei der Entstehung der Thrombose. Hier ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Rucksack eben nicht um einen breitgurtigen, ergonomisch angepassten Wanderrucksack handelte, sondern dass der Kläger Sturmgepäck (v.a. Bekleidung, Verpflegung, Toilettenartikel; Zeltbahnhälfte, Zeltbahnzubehör, Koch- und Essgeschirr, Klappspaten), unter anderem unter Zuhilfenahme seiner Koppeltragehilfe, sowie darüber hinaus auch das seinerzeitige Standardgewehr der Bundeswehr (einschließlich Munition) im Rahmen der Durchschlageübung zu tragen hatte. Die Schilderung des Klägers, dass und wie er sich aus Teilen der Koppeltragehilfe eine separate „Tragehilfe“ für das G3 gerfertigt hat und dass deshalb das gesamte Gewicht für eine längere Zeit im Rahmen des entsprechenden Marsches auf relativ dünnen Gurten auf seinen Schultern gelastet hat, ist für die Kammer nachvollziehbar. Sie hat auch keinen Anlass an der Richtigkeit dieser Schilderung zu zweifeln. Neben der unvorteilhaften und unbequemen Lastverteilung kommt noch hinzu, dass der Marsch im Rahmen einer entsprechenden Durchschlageübung nicht mit dem Tragen eines Rucksacks im Rahmen einer normalen Wanderung zu vergleichen ist. Sie diente schon nicht alleine dazu von einem Ausgangspunkt zu einem Ziel zu kommen, sondern der Gewährleistung und Festigung der den Wehrdienstleistenden zu vermittelnden Grundlagen „Gefechtsdienstes der Truppen zu Lande“ (vgl. dazu etwa ZdV 3/11). Hieran – insbesondere auch noch in den frühen 1980er Jahren – waren die entsprechenden Übungen auch im Hinblick auf die seinerzeitige verteidigungspolitischen Lage orientiert (vgl zu dieser Lage etwa Rink, Die Bundeswehr im Kalten Krieg, abrufbar auf der Homepage der Bundeszentrale für politische Bildung unter https://www.bpb.de/politik/grundfragen/deutsche-verteidigungspolitik/199277/kalter-krieg, abgerufen zuletzt am: 16.06.2021). Entsprechende Übungen waren vor diesem Hintergrund durchaus für die Wehrdienstleistenden mit psychischem aber auch körperlichem Stress verbunden.

Diese körperlichen Belastungen verbunden mit der konkreten Tragsituation stellen – wie bereits oben dargelegt – in wertenden Abwägung den wesentlichen Verursachungsbeitrag für die seinerzeit erlittene Thrombose dar. Der ebenfalls vorhandene Versuchungsbeitrag der Thrombophilie, der im Einzelnen nicht belastbar zu ermitteln ist, ändert hieran nichts. Das gilt auch im Hinblick auf das beim Kläger eingetretene Rezidiv. Insoweit erachtet die Kammer mit dem Gutachter Dr. … unter Berücksichtigung des insoweit maßgeblichen Stands der gängigen Lehrmeinung das erstmalige Auftreten der Thrombose als maßgeblich erhöhenden Faktor für das Auftreten eines Rezidivs an gleicher Stelle. Hinsichtlich der bestehenden Thrombophilie und den Genveränderungen gilt nach Auffassung der Kammer das Gleiche.

Soweit die Beklagte – erstmalig im Rahmen der mündlichen Verhandlung – die Auffassung vertreten hat, das zugrundeliegende Geschehen sei schon nicht mit hinreichender Sicherheit nachgewiesen, kann die Kammer dieser Sichtweiser nicht folgen. Die Kammer hat keinen Anlass, an den Schilderungen des Klägers zu zweifeln. Dies umso mehr, als aus der damaligen Zeit durchaus auch noch medizinische Unterlagen vorhanden sind, die die Schilderung des Klägers unterstützen. Nicht zuletzt hat aber die Beklagte auch selbst im Rahmen des Verwaltungsverfahrens die Schilderungen des Klägers als glaubhaft angesehen und vor diesem Hintergrund medizinisch ermittelt.

Auf die Frage, ob seinerzeit auch im Hinblick auf die nach Aussage des Klägers unzureichende medizinische Versorgung durch den Sanitätsdienst der Bundeswehr – man ging danach von einer allergischen Reaktion auf einen Insektenstich aus und leitete vor diesem Hintergrund nicht die bei richtiger Diagnosestellung angezeigte Therapie (unmittelbare Lyse) – vorgelegen hat und mithin ein Fall des § 81 Abs. 1 Alt. 3 SVG gegeben ist, kommt es nach Auffassung der Kammer damit vorliegend nicht an.

Die festgestellte Schädigungsfolge bedingt gemäß § 30 Abs. 1 BVG – auch insoweit stimmt die Kammer mit den Ausführungen des gerichtlich bestellten Gutachters überein – gemäß Teil B Ziffer 9.2.3 der Versorgungsmedizinischen Gründe einen GdB von 10. Die vorliegende Beeinträchtigung stellt sich als einseitiges postthrombotisch

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG

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