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Merkzeichen aG - auch bei außergewöhnlicher Gehbehinderung durch psychische Erkrankung

Das Sozialgericht Aachen hat in einem Verfahren, das Herr Rechtsanwalt Michael Janßen für den Kläger geführt hat, am 04.06.2013 entschieden, dass auch eine psychische Erkrankung eine außergewöhnliche Gehbehinderung bedingen kann und dadurch die Voraussetzung für die Inanspruchnahme des Merkzeichens aG gegeben sind. Konkret hat das Sozialgericht ausgeführt, dass Ausgangspunkt für die Feststellung der außergewöhnlichen Gehbehinderung Abschnitt II Nr. 1 zu § 46 Abs. 1 Nr. 11 VwV-StVO ist. Hiernach ist außergewöhnlich gehbehindert i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 14 Straßenverkehrsgesetz (StVG), wer sich wegen der Schwere seines Leidens dauernd nur mit fremder Hilfe oder nur mit großer Anstrengung außer halb seines Kraftfahrzeugs bewegen kann. Hierzu zählen Querschnittsgelähmte, Doppeloberschenkelamputierte, Doppelunterschenkelamputierte, Hüftexartikulierte und einseitig Oberschenkelamputierte, die dauernd außer Stande sind, ein Kunstbein zu tragen, oder nur eine Beckenkorbprothese tragen zu können oder zu gleich unterschenkel- oder armamputiert sind, sowie andere Schwerbehinderte, die nach versorgungsärztlicher Feststellung, auch auf Grund von Erkrankungen, dem vorstehenden Personenkreis gleichzustellen sind.

Der Kläger des Verfahrens litt u.a. am sogenannten Down-Syndrom und fiel zweifelsfrei nicht in eine der oben genannten Beispielsgruppen, weswegen zu klären war, ob er weiterhin dem ausdrücklich beschriebenen Personenkreis gleichzustellen ist.

Das Gericht führte in seinem Urteil aus, dass eine Gleichstellung dann erfolgen muss, wenn ein Betroffener in seiner Gehfähigkeit im ungewöhnlichen Maße einge schränkt ist und er sich nur unter ebenso großen Anstrengungen wie die erst genannte Gruppe von Schwerbehinderten oder nur noch mit fremder Hilfe fort bewegen kann und verwies auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 29.03.2007 - B 9a SB 5/05 R. Die damit erforderliche Bildung eines Vergleichsmaßstabes berge Schwierigkeiten, weil die verschiedenen, im Gesetz ausdrücklich aufgezählten Gruppen in ihrer Wegfähigkeit nicht homogen sind und einzelne Vertreter dieser Gruppen - bei gutem gesundheitlichem Allgemeinzustand, hoher Leis tungsfähigkeit und optimaler prothetischer Versorgung - ausnahmsweise nahezu das Gehvermögen eines Nichtbehinderten erreichen können. Auf die individuelle pro the tische Versorgung der aufgeführten behinderten Gruppen kann es grundsätzlich aber nicht ankommen. Im Ergebnis sei hinsichtlich der Gleichstellung bei dem Rest gehvermögen des Betroffenen anzusetzen. Wegen der begrenzten städtebaulichen Möglichkeiten, Raum für Parkerleichterungen zu schaffen, seien hohe Anforderungen zu stellen, um den Kreis der Begünstigten klein zu halten.

Insoweit sei aber zu beachten, dass auch psychische Erkrankungen eine außer gewöhnliche Gehbehinderung bedingen können. Das Sozialgericht Aachen verwies hier zu auf ein Urteil des bayerischen Landessozialgerichts vom 27.05.2010. So genügten zwar weder Orientierungsstörungen noch zeitweise Anfälle zur Begründung des Merkzeichens aG. Es seien jedoch die beim Kläger vorliegenden Beeinträchtigungen funktionell mit den Beeinträchtigungen der Vergleichsgruppe gleich zu stellen. Dies insbesondere deshalb, da der Kläger aufgrund der mit seinen Behinderungen verbundenen Schwierigkeiten und Gefahren im innerstädtischen Fußgängerverkehr durch eine Begleitperson nicht mehr sicher geführt werden könne. Dies sei dann der Fall, wenn eine verantwortungsbewusste Begleitperson dem Behinderten wegen der Selbstgefährdung und der Gefährdung anderer nicht mehr führen, sondern regelmäßig nur noch im Rollstuhl bewegen würde.

Das Sozialgericht Aachen gab damit der Auffassung des Rechtsanwalts Michael Janßen Recht und konnte die weitere Inanspruchnahme des Merkzeichens aG für den Kläger erfolgreich erreicht werden.

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