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Studienplatz – Eilantrag gegen Rücknahme der Zulassung zum Studium

Die Universität zu Köln hat mit einem Ablehnungs- und Rücknahmebescheid die zuvor erteilte Zulassung zum Studium Grundschullehramt Lernbereich Ästhetische Erziehung zurückgenommen und den Antrag abgelehnt. Hiergegen hat Fachanwalt für Verwaltungsrecht Michael Janßen erfolgreich Klage vor dem Verwaltungsgericht Köln und Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz erhoben.  
 
Auf den Eilantrag des Rechtsanwalt Michael Janßen gegen die Universität Köln hat das Verwaltungsgericht Köln am 16.10.2020 zum Aktenzeichen 6 L 1879/20 beschlossen:
 
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  1. Die aufschiebende Wirkung der Klage mit dem Aktenzeichen 6 K 5566/20 gegen den Rücknahme- und Ablehnungsbescheid der Antragsgegnerin vom … Oktober 2020 wird wiederhergestellt.

    Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
     
  2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

 
Gründe

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage mit dem Aktenzeichen 6 K 5566/20 gegen den Rücknahme- und Ablehnungsbescheid der Antragsgegnerin vom … Oktober 2020 wiederherzustellen, hilfsweise die sofortige Vollziehung aufzuheben, hat Erfolg.             

Der nach §§ 123 V, 80 V Satz 1 2. Alt. VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gerichtete Antrag ist statthaft, weil die aufschiebende Wirkung der Klage mit dem Aktenzeichen 6 K 5566/20 der Antragstellerin hier durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung seitens der Antragsgegnerin im Rücknahme- und Ablehnungsbescheid vom … Oktober 2020 (§80 II Satz 1 Nr. 4 VwGO) entfallen ist.
 
Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg.
 
Vorliegend ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung im Rücknahme- und Ablehnungsbescheid vom … Oktober 2020 formell nicht ordnungsgemäß erfolgt.
Die insoweit als Erlassbehörde nach § 80 II Satz 1 Nr. 4 VwGO zuständige Antragsgegnerin hat die Begründungspflicht nach § 80 III Satz 1 VwGO nicht gewahrt. Den
Anforderungen des § 80 III Satz 1 VwGO genügt jede schriftliche Begründung, die – sei sie sprachlich oder gedanklich auch noch so unvollkommen – zu erkennen gibt, dass die Behörde aus Gründen des zu entscheidenden Einzelfalls die sofortige Vollziehung ausnahmsweise für geboten hält. Darüber hinaus kommt es nicht darauf an, ob die zur Begründung der Vollziehungsanordnung angeführten Gründe den Sofortvollzug tatsächlich rechtfertigen und ob die für die sofortige Vollziehung angeführten Gründe erschöpfend und zutreffend dargelegt sind. Vielmehr trifft das Gericht im Rahmen eines Antrags auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 80 V Satz 1 VwGO eine eigenständige Abwägungsentscheidung. (Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 27. Februar 2020 – 13 B 1458/19 -, juris, Rn. 3)
 
Daran gemessen genügt hier die gegebene Begründung den vorgenannten Anforderungen nicht. Im Rücknahme- und Ablehnungsbescheid hat die Antragsgegnerin die Anordnung der sofortigen Vollziehung damit begründet, dass die Verwaltung die Vollziehbarkeitsanordnung mit der Erwägung, der Verwaltungsakt sei offensichtlich rechtmäßig und sein Vollzug sei eilbedürftig, treffen könne. Dieser Rücknahmebescheid ergehe offensichtlich rechtmäßig. Soeben sei festgestellt worden, dass das Zulassungsangebot heute Nacht aufgrund eines technischen Fehlers erteilt worden sei und aus diesem Grunde hiermit die Rücknahme des Zulassungsangebotes unmittelbar nach der irrtümlichen Erteilung erfolge.
 
Der Hinweis auf die offensichtliche Rechtmäßigkeit des Rücknahmebescheids ist für die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht ausreichend, da die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsakts vor dem Hintergrund des Art. 20 III GG Voraussetzung für dessen Erlass ist und nicht gleichzeitig die Rechtfertigung seiner dringlichen Vollziehung sein kann. Es wird nicht im hinreichenden Maß deutlich, dass die Antragsgegnerin aus einzelfallbezogenen Gründen der Auffassung ist, den rechtskräftigen Abschluss eines Hauptsacheverfahrens nicht abwarten zu können.
 
Soweit die Antragsgegnerin die Anordnung der sofortigen Vollziehung nunmehr in der Antragserwiderung vom 15. Oktober 2020 mit dem öffentlichen Interesse an einem geordneten Hochschulbetrieb und damit begründet, dass die sofortige Vollziehung angeordnet worden sei, weil die rechtswidrigen Zulassungsbescheide die betroffenen Bewerber dazu aufforderten, das Zulassungsgebot durch Hochladen der erforderlichen Unterlagen anzunehmen und das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiege, da anderenfalls die aufgrund des Vergabeverfahrens vorrangig zu berücksichtigenden Bewerber im Rahmen der vorhandenen Kapazitäten zugelassen werden könnten, kann dies die im Rücknahme- und Ablehnungsbescheid vom 6. Oktober 2020 angeführte unzureichende Begründung nicht heilen. Denn mit der Warn- und Appellfunktion des Schriftlichkeitserfordernisses wäre es nicht vereinbar, wenn eine fehlende Begründung mit heilender Wirkung nachgeholt werden könnte.(vgl. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. September 2011 – 1 S 2554/11 – juris, Rn. 10 m.w.N.)
 
Ferner fällt die weiter vorzunehmende Interessenabwägung zu Gunsten der Antragstellerin aus.
 
Das Gericht kann nach § 80 V Satz 1 VwGO in den Fällen, in denen die Behörde wie hier die Antragsgegnerin die sofortige Vollziehung nach § 80 II Nr. 4 VwGO angeordnet hat, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherstellen, wenn das Interesse des Adressaten, von der Vollziehung einer Maßnahme vorläufig verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiegt. Das ist in der Regel der Fall, wenn sich der angefochtene Verwaltungsakt bei der im Eilverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als (offensichtlich) rechtswidrig darstellt, denn an der Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes kann kein öffentliches Interesse bestehen. Ist der Verwaltungsakt bei summarischer Prüfung hingegen (offensichtlich) rechtmäßig, so überwiegt das Vollziehungsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers nach herrschender Meinung nur dann, wenn zusätzlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes gegeben ist. Lässt sich bei summarischer Prüfung weder die offensichtliche Rechtmäßigkeit noch die (offensichtliche) Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes feststellen, so ist dem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung stattzugeben, wenn bei einer allgemeinen Abwägung der beiderseitigen Interessen das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das Vollziehungsinteresse überwiegt.
 
Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe, ist der Rücknahme- und Ablehnungsbescheid vom 6. Oktober 2020 nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand offensichtlich rechtswidrig, sodass die Interessenabwägung zugunsten der Antragstellerin ausfällt.
 
Vorliegend kann dahinstehen, ob der Rücknahme- und Ablehnungsbescheid vom 6. Oktober 2020 bereits deswegen formell rechtswidrig ist, weil die Antragstellerin entgegen § 28 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land NRW nicht vor der Rücknahme angehört worden ist oder, ob dieser Verfahrens- und Formfehler nach § 46 VwVfG NRW unbeachtlich ist.
 
Denn es spricht vieles dafür, dass der Rücknahmebescheid materiell rechtswidrig ist.
 
Zwar kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt, der wie hier – keine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nach § 48 I, III VwVfG NRW ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
 
Im vorliegenden Verfahren muss dahinstehen, ob es sich bei dem Zulassungsbescheid vom 6. Oktober 2020 um einen rechtswidrigen Verwaltungsakt in diesem Sinne gehandelt hat. Die Kammer kann in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht prüfen, ob der Antragstellerin der in dem zulassungsbescheid vorausgesetzte Zulassungsanspruch tatsächlich zusteht. Ebenso wenig kann überprüft werden, ob der erlass des Zulassungsbescheides – wie von der Antragsgegnerin vorgetragen -, allein auf einem „technischen Fehler“ beruhte, da nähere Einzelheiten dazu bislang nicht vorgetragen wurden.
 
Der rücknahmebescheid vom 6. Oktober 2020 leidet jedenfalls an einem unheilbaren, zur materiellen Rechtswidrigkeit führenden Ermessensfehler. Aus dem rücknahmebescheid geht nicht hervor, dass die Antragsgegnerin das ihr nach § 48 VwVfG NRW bei der Rücknahme eines Verwaltungsakts eröffnete Ermessen überhaupt erkannt und ausgeübt hat. Vielmehr sprechen die Formulierungen der Antragsgegnerin für die Annahme, dass für sie aus dem (tatbestandlichen) Vorliegen des aufgrund eines technischen Fehlers und damit irrtümlich ausgesprochenen Zulassungsangebots die Rechtsfolge „Rücknahme dieses Zulassungsangebotes unmittelbar nach der irrtümlichen Erteilung“ folgt. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin hier keine gebundene Entscheidung getroffen hat, sondern sich des ihr zustehenden Ermessens bewusst war, lassen sich den knappen Ausführungen im rücknahmebescheid nicht entnehmen.
 
Im Fall eines Ermessensausfalls ist eine Nachbesserung im Sinne von § 114 Satz 2 VwGO im gerichtlichen Verfahren nicht möglich.    
(vgl. BVerwG, Urteil vom 5. September 2006 – 1 C 20.05 -, juris, Rn. 22; VG Köln, Beschluss vom 2. März 2020 – 6 L 75/20 -)
 
Die erstmals im gerichtlichen Verfahren angestellten Ermessenserwägungen der Antragsgegnerin gehen daher ins Leere.
 
Damit einhergehend dürfte die von der Antragsgegnerin im Anschluss an den Rücknahmebescheid vorgenommene Sperre der Annahmemöglichkeit des zulassungsangebots im Campus-Management-system KLIPS 2.0 durch die Antragsgegnerin aufzuheben sein."

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