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Abwassergebühren – Bisherige Kalkulation in Aachen und vielen anderen Gemeinden falsch

Das Oberverwaltungsgericht für Nordrhein- Westfalen hat mit Urteil zum Az. 9 a 1019/20 vom 17.5.2022 seine bisherige Rechtsprechung über die Kalkulation der Abschreibung und der Zinsen,die mit in die Berechnung der Abwassergebühr einfließen, die die Städte mit dem Grundbesitzabgabenbescheid festsetzt, geändert. Hierdurch sind die Festsetzungen der Stadt Aachen zum Abwasser für das Jahr 2021 falsch. Herr Rechtsanwalt Janßen führt aktuell gut 50 Anfechtungsklagen gegen Grundbesitzabgabenbescheide der Stadt Aachen wegen der falschen Festsetzung der Abwassergebühren.   

Die Leitsätze des Urteils des OVG NRW lauten:

  1. Der gleichzeitige Ansatz einer kalkulatorischen Abschreibung des Anlagevermögens auf der Basis seines Wiederbeschaffungszeitwertes sowie einer kalkulatorischen Nominalverzinsung auf der Basis seines Anschaffungsrestwertes in der Abwassergebührenkalkulation entspricht zwar betriebswirtschaftlichen Grundsätzen i. S. d. § 6 Abs. 2 Satz 1 Kommunalabgabengesetz Nordrhein-Westfalen (KAG NRW); er ist aber durch gesetzliche Vorgaben zur Gebührenkalkulation ausgeschlossen. Der Senat gibt insoweit seine bisherige anderslautende Rechtsprechung ausdrücklich auf.
     
  2. Aus §§ 75 Abs. 1 Satz 1, 77 Abs. 2 Nr. 1 GO NRW ist die kalkulatorische Zielvorgabe abzuleiten, durch die zu vereinnahmenden Gebühren nicht mehr als die dauerhafte Betriebsfähigkeit der öffentlichen Einrichtung der Abwasserbeseitigung sicherzustellen. Der gleichzeitige Ansatz einer Abschreibung nach Wiederbeschaffungszeitwerten sowie einer Nominalverzinsung nach Anschaffungsrestwerten widerspricht diesem Kalkulationszweck, weil er zu einem doppelten Inflationsausgleich führt.
     
  3. Der aus §§ 75 Abs. 1 Satz 1, 77 Abs. 2 Nr. 1 GO NRW abzuleitende Kalkulationszweck lässt beim gleichzeitigen Ansatz von kalkulatorischen Abschreibungen und Zinsen in der Gebührenkalkulation nur die Betriebserhaltungskonzeptionen der realen Kapitalerhaltung oder der reproduktiven Nettosubstanzerhaltung zu, zwischen denen die Gemeinde ein Wahlrecht hat.
     
  4. Eine kalkulatorische Verzinsung des Eigen- und Fremdkapitals mit einem einheitlichen Nominalzinssatz, der sich aus dem fünfzigjährigen Durchschnitt der Emissionsrenditen für festverzinsliche Wertpapiere inländischer öffentlicher Emittenten bis zum Vorvorjahr des Veranlagungsjahres zuzüglich eines (pauschalen) Zuschlags von 0,5 Prozentpunkten wegen regelmäßig höherer Kommunalkreditzinsen ergibt, ist nicht mehr angemessen i. S. d. § 6 Abs. 2 Satz 4 KAG NRW. Der Senat gibt insoweit seine bisherige Rechtsprechung größtenteils ausdrücklich auf.
     
  5. Wählt die Gemeinde einen einheitlichen Nominalzinssatz für die gemeinsame Verzinsung von Eigen- und Fremdkapital und orientiert sich dabei aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität an dem für das Eigenkapital ermittelten Zinssatz auch bei der Verzinsung des Fremdkapitals, hält es der Senat nur für sachlich vertretbar, den zehnjährigen Durchschnitt der Emissionsrenditen für festverzinsliche Wertpapiere inländischer öffentlicher Emittenten bis zum Vorvorjahr des Veranlagungsjahres ohne einen (pauschalen) Zuschlag von bis zu ca. 0,5 Prozentpunkten zugrunde zu legen.
     
  6. Sollte der von der Gemeinde getrennt ermittelte Fremdkapitalzinssatz den ermittelten Eigenkapitalzinssatz übersteigen, kann dem dadurch hinreichend Rechnung getragen werden, dass die Gemeinde Eigen- und Fremdkapital mit jeweils eigenen Zinssätzen getrennt oder auch mit einem gewichteten Mischzinssatz gemeinsam verzinst.

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